Eventhalle ewz Unterwerk Zürich Selnau, 2000 bis 2002

„das begehbare Gemälde“

Gestaltungsmandat mit Konzept und Ausführung

Bauherrschaft: ewz, Elektrizitätswerk der Stadt Zürich

 

Von der Stromerzeugung zu einem Ort der kulturellen Energieübertragung

Im Gebäude des ewz Unterwerkes Selnau, das mit einer Seite im Flussbett der Sihl steht, wurde während Jahrzehnten Strom aufbereitet und gebrauchsbereit gestellt.

Früher transformierte man in diesen Räumen Strom zu uns bewegender Energie, etwa für die Zürcher Trams. Heute geht es an diesem Ort um eine andere Art von uns bewegender Energie: jene des menschlichen Geistes, gewandelt in verschiedene Formen der Kunst. Sieht man Kunst als Transformation des menschlichen Geistes, bleibt die Thematik des Raumes also grundsätzlich dieselbe. Sie musste nicht gesucht werden, sondern war durch die angestrebte Nutzung vorgegeben. Demnach war es auch angemessen, sanft mit der vorgefundenen Substanz umzugehen.

Als erstes wurden die Halle und alle Nebenräume mit Rosenwasser gereinigt.

Reinigung mit Rosenwasser:

 

Die stimmigen Räumlichkeiten sollten nicht verfremdet, die Spuren der Zeit nicht einfach getilgt, sondern gezielt aufgewertet werden.

Die Aufgabe bestand darin, die Räume auf ihre neue Bestimmung „einzuschwingen“.

In der Reinigung der Räume mit Rosenwasser, bei der Fette und Schmutz mit Soda gelöst und anschliessend mit Rosenwasser und Wasser gereinigt wird sieht Vagnières auch eine energetische Erneuerung des Ortes, wobei er betont, dass das Rosenwasser nicht „weg „macht sondern: „ alles annimmt und transformiert“! Mit der Wasch- und Reinigungsaktion wurden die vergilbten Farben aufgefrischt und das räumliche erheblich heller. Jeder Winkel dieses Ortes wurde „berührt“ sagt Vagnières „mit Schwamm und Hand“.

 

Das begehbare Gemälde

 

Der Situation entsprechend kam die Idee, ein begehbares Gemälde zu installieren. Dadurch, dass wir uns durch dieses gigantische, räumliche Bild bewegen, entsteht eine mehrdimensionale Erfahrung in unserem Innern.

 

Wasser als Grundlegendes...

Im Hauptraum, der eigentlichen Eventhalle, wo früher riesige Transformatoren aus dem Flusswasser Tramstrom herstellten, liess der Architekt und Stadtbaumeister Hermann Herter  1930 blaue Farbe an Wände und Metallträger streichen. Gesäumt werden sie von einem hellen Chromgrün an den Seiten. Damit hat Herter in klassischer Bauhausmanier die Thematik des Stroms aus Wasserkraft und die Situation des am Fluss stehenden Gebäudes aufgenommen und geehrt. ...und Feuer als transformierendes Element.

Sichtbar gemacht hat Vagnières nun das Thema Transformation.

Strom und Transformation ist eine Feuer-Thematik. Dieser Allegorie entsprach Vagnières mit der Gestaltung der zentralen Wand als „Feuer- und Glutwand". Sie befindet sich an jener Stelle des Raumes, wo üblicherweise die Bühne steht. Sie ist der Orientierungspunkt des ganzen Komplexes. Was an diesem Ort geschieht, steht im sozialen Brennpunkt des räumlichen Geschehens. Die Feuer- und Glutwand besteht aus einer faltbaren Türenwand, die geöffnet einen ebenso roten Raum frei gibt, den Hinterbühnenraum. Ein Wechsel von der Halle in diesen Raum kann sehr intensives Kaltwarmgefühl erlebt werden.

Allein die neu geschaffene rote Feuerwand vermag das kühle Blau des Raumes in Bewegung zu versetzen. Steht man in der Halle selber und deckt das Rot, z.B. mit der Hand ab, was übrigens auch auf einem Bild der Halle funktioniert, stellt man schnell fest, wie der Raum schwer und kalt wird.

Wenn Hitze oder Feuer auf Wasser einwirken, beginnt sich dieses zu bewegen bis hin zum Sprudeln. Der dabei entstehende Dampf beginnt zu tänzeln und offenbart die sphärische Urnatur des Wassers (wie die Strömungsforschung von Theodor Schwenk das nennt). Die alten Alchimisten sahen in diesem Vorgang das Wesen der Kunst gespiegelt. Wobei das Wasser sinngemäss für Emotionen oder für das Leben schlechthin steht und das Feuer für Leidenschaften oder in Form der Liebe den Urgrund allen seins. Der Umgang mit diesen Elementen erfordert einen klar gerichteten gestalterischen Willen. Die Hitze ist so zu dosieren, dass das Wasser nicht einfach verdampft. Das Wasser ist so einzusetzen, dass es das Feuer nicht löscht.

Zur Fertigung der roten „Feuerwand" verwendete ich ein öliges Bindemittel. Öl steht hier für gespeicherte Wärme und Energie. Ebenso verfuhr er bei der Wahl der Farbpigmente. Sie alle stehen von ihrer Materialnatur her mit der Feuerthematik in Bezug. Diese Kräfte sollten auch auf der materiellen Eben ins Räumliche hinein getragen, sozusagen darin verankert werden.

Der ganze Boden wurde mit einer natürlichen Wachsemulsion antistatisch und schmutzabweisend ausgerüstet, die Betonplatten zuvor mit Wasserglas gefestigt und damit staub- und abriebfest gemacht.

Entstanden ist eine alchemistische Raumpoesie, die an die Tradition vieler alter Meister der Malerei anknüpft. Vor 500 Jahren trennte sich die Raummalerei von der Kunstmalerei, was das westliche Raumverständnis fundamental veränderte. In seiner Arbeit bringt Vagnières diese beiden Ebenen wieder zusammen.

 

Die Nebenräume:

 

Der Eingang

Das Publikum betritt das Gebäude von der Südseite her via einen orangen Eingangsraum.

Dieser leitet in die Wasser/Feuer-Thematik der Eventhalle über. Durch die Milchglastüre ist bereits die sich öffnende blaue Weite zu erkennen. Die starke Anziehung, die von dieser ausgeht, erzeugt einen Sog. Um diesen zu verstärken, wählte ich ein kupferhaftes Orangebraun. Orange wird als auf uns zukommende Farbe in seiner Wirkung raumverengend empfunden, was die Besucher gleichsam in den Hallenraum hineindrückt. Im Kupferorange ist die Allegorie zum stromleitenden Kabel gegeben, das hier den Menschenstrom leiten soll.

 

Der Seitenflügel der Halle

Für den nischenhaften, rechten Seitenflügel der Halle wurden Grafitpigmente verwendet. Ihre dunkle Farbe erzeugt optisch Raumtiefe. Der fast schwarze Hintergrund und eine gezielt gesetzte Beleuchtung erlauben eine Inszenierung des hier stattfindenden Geschehens. Bei Veranstaltungen wird der Seitenflügel gerne als Cateringraum, Garderobe etc. genutzt. Grafit hat zudem abschirmende Eigenschaften, etwa gegen elektromagnetische Strahlung. So bietet sich hier ein Rückzugsort innerhalb der dynamischen Weite der Halle.

 

Die Gänge

In den Gängen, die den Hauptraum mit Toiletten und Sanitätsraum verbinden, wirkt die neutralisierende, ausgleichende Farbe: Lindengrün. So kommt man während einer Veranstaltung in der Halle – sozusagen dem Kochtopf des Gebäudes – auf dem Gang zur Toilette zu sich selber zurück.

 

Das stille Örtchen 

Es entspricht einem Urbedürfnis, auf einer Toilette für sich sein zu können. Um eine solche Privatheit zu erzeugen, wurden dunkle  erdhafte Töne gewählt. Die so entstehende intime Einkehr ist während Konzerten und andern starken Reizungen eine echte Wohltat. Um die so entstandene Erdenschwere etwas zu lockern, sind die Sichtschutzscheiben mit farbig oszillierendem Perlmuttglas ausgerüstet.

Das Konzept scheint zu funktionieren: Noch nie fanden hier Vandalenakte statt, selbst an Hip-Hop-Konzerten.

Das Untergeschoss

Die Räume des Untergeschosses werden hier nicht weiter behandelt.

Zurück